Jürgen Moritz, der sich seit vielen Jahren mit der Historie seiner Heimatstadt beschäftigt, hat in alten Zeitungen gestöbert und ist 100 Jahre zurückgereist, ins Engers des Jahres 1907. Was bewegte damals die Menschen im Flecken und welche für den Ort „wichtigen“ Ereignisse fanden statt?
Es beginnt im Januar mit der Nachricht, dass Engers nun endlich auch eine Filialapotheke hat und dass der Kommandeur der Kriegsschule zum Obersten befördert worden sei. Von Branconi, so sein Name, der dem Schloss den Spiegelsaal beschert hatte, sollte Engers allerdings bald verlassen und einem Nachfolger das Kommando über die preußischen Kadetten übergeben. Die Karnevalisten hielten sich 1907 etwas zurück, doch dafür startete der Männergesangverein „Liedertafel“ im Februar durch, der an Rosenmontag eine große karnevalistische Aufführung im Hotel Schunkert, dem späteren Kurtrierischen Hof, darbot. Motto der Veranstaltung: Die Huldigung des Vater Rhein. Ein Jahr später konnte die Liedertafel, die längst Engerser Geschichte ist, ihr 20jähriges Vereinsjubiläum feiern.
Es ging weiter im Monat März mit einem Kartoffelmarkt auf dem Gelände des Güterbahnhofes. Die „Frühe Rosa“ für 3,50 Mark per Zentner, die „Kaiserkrone“ für vier Mark sowie böhmische und bayrische „Magnum bonum“ konnten von Interessenten erworben werden. Veranstalter dieses Marktes war allerdings kein Engerser, sondern Julius Hoffmann aus dem Nachbarort Weis. Im April feierte Pfarrer Bayer sein silbernes Priesterjubiläum und es wurden dringend „Sandsteinsklopfer“ gesucht.
Der Mai präsentierte die „Rheinische Volksbühne“als Gastensemble in Engers, die mit großem Erfolg das Theaterstück „Husarenfieber“ aufführte, woraus ersichtlich ist, dass die Schauspielkunst in Engers schon früher viele Freunde hatte. Höhepunkt des Monats Juni war -wie auch heute noch- die Engerser Kirmes, die viele Gäste in den Rheinort lockte. Der Juli vermerkte einen sportlichen Höhepunkt, denn der Turnverein errang beim Gauturnfest in Braubach im Riegenwettturnen eine Ehrenurkunde mit dem Prädikat „gut“.
Im August besuchte der Oberpräsident der Rheinprovinz Engers und besichtigte die Rebenveredlungsanlagen im Schlossgarten. Im gleichen Monat fand der Schäfer Johann Halfmann beim Schafehüten im Felde einen Halm mit Ähren in Form einer Monstranz! Im September brannte eine „Krähenhütte nach Heimbach hin“ ab. Zehn Mark Belohnung wurden zur Ergreifung des oder der Täter ausgesetzt. Im darauffolgenden Oktober präsentierte sich der Gärtnerverein Convallaria mit einer großen Obst- und Gemüseausstellung im „Saale Schunkert dahier“. Ein sage und schreibe 93 Pfund schwerer Kürbis wurde dabei präsentiert. Im gleichen Monat wies die Verwaltung der Krupp`schen Hütte in Mülhofen die Bewohner der näheren Engerser Umgebung darauf hin, bei ungünstiger Witterung keine Wäsche zum Bleichen auszulegen, „da das Werk für durch Gasstaub etwa beschädigte Wäschestücke keinerlei Entschädigung zahlt“.
Der November begann mit einem Kurs für Tanz- und Anstandslehre im Hotel Fiegel, der von Herrn Haas und Frau aus Neuwied angeboten wurde. Es wurde ausdrücklich daraufhin gewiesen, dass sich doch recht viele Tanzlustige, „hauptsächlich Herren“ einfinden sollten. Schließlich, im Dezember des Jahres 1907, gab die Zeitung bekannt, dass die Restauration „Zum Schloss“, die bis dahin von einem Josef Kohlbecher betrieben worden war, im Rahmen einer Versteigerung an Herrn Hommer aus Mülheim übergegangen sei. Im gleichen Monat eröffnete eine Bäckerei „Scheffel“ in der Bendorfer Straße und die Fahrradhandlung Adolf Mocasen schloss ihr Geschäft am Schloss.
All diese Nachrichten des Jahres 1907 konnten die Engerser in einer eigenen Zeitung nachlesen, der „Engerser Zeitung“, als Mitteilungsblatt für Engers, Heimbach, Weis und Gladbach. Und es ist wohl nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass Jürgen Moritz im Rahmen seiner jahrelangen Recherche das wohl einzige Exemplar dieser Zeitung aus dem Jahr 1907 aufgestöbert hat, das er gelegentlich der Öffentlichkeit präsentieren möchte...
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